Der Mensch ist, was er isst.

Fleisch

Der westliche Ernährungsstil der Gegenwart ist nicht nur für unser Klima und die Biodiversität schädlich, sondern letztlich auch für den Menschen. Karlheinz Erb forscht zu Landnutzung und kommt dabei zu brisanten, aber auch ermunternden Ergebnissen für unsere Ernährungsgewohnheiten.

Herr Erb, was haben Sie heute zu Mittag gegessen?
Ich war kurz zuhause und hatte Pasta mit Thunfischsauce.

Mit schlechtem oder ohne schlechtes Gewissen?
Naja, es zählt ja nicht das Einzelevent, sondern der Durchschnitt des Jahres. Am Institut für Soziale Ökologie sind wir in der Landnutzungsforschung tätig, von daher kann ich relativ wenig zu mariner Biomasse sagen. Persönlich glaube ich aber, dass der Fischfang schon sehr prekär ist, und ich bemühe mich, mit dem Fischkonsum Maß zu halten.

In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich damit, wie die Menschheit bei maximaler Schonung unserer Ressourcen zu ernähren wäre. Dabei verlieren tierisch produzierte Nahrungsmittel gegenüber Pflanzen meistens. Warum?
Früher, als in der vorindustriellen Gesellschaft Nahrungsmittel knapp waren, war es lebensnotwendig, Tiere vorwiegend als Arbeitskraft und zum Transport zu halten. Ziel war es, Nährstoffe am Ackerland zu konzentrieren und die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. In diesen Zeiten waren Tiere auch lebende Kapitalbestände, auf die man unter harten Bedingungen zurückgriff, um sie zu schlachten und zu essen. Sie waren aber niemals dafür da, um täglich ein Schnitzel zu konsumieren.

Worin liegen die Vorteile der Tiere?
Die agrarische Gesellschaft ist von Knappheit von Energie und Fläche gezeichnet. Tiere bieten hier große Vorteile, weil sie auf Flächen fressen, die man nicht als Acker nutzen kann. Außerdem stellen Tiere eine Proteinquelle dar – das ist besonders wichtig in Ländern oder Situationen, in denen diese sonst knapp sind. Das war in Österreich noch vor rund 100 Jahren der Fall. Weltweit lebt derzeit rund die Hälfte der Weltbevölkerung in agrarischen Gesellschaften.

Und wir in der Industriegesellschaft?
Hier verzehrt der Mensch nicht die Biomasse, die am Feld angebaut wird, sondern man veredelt Biomasse als Fleisch und konsumiert dann viel zu viel davon. Damit nimmt die Effizienz der Landnutzung ab. Wir meinen damit: Tiere produzieren nicht nur Fleisch, sondern sie sind selbst auch am Leben und verbrauchen in diesem Sinne Energie – wenn Tiere also von Ackerland ernährt werden, sinkt die Effizienz, weil man Ackerprodukte auch direkt konsumieren kann, ohne den Umweg über die Tiere.

Will sich überhaupt alle Welt dermaßen fleischzentriert ernähren?
Der westliche Ernährungsstil mit vielen tierischen Produkten ist derzeit im Vormarsch. Allerdings nicht überall im gleichen Ausmaß. In Indien beobachten wir dies deutlich weniger. Unterschiedliche gesellschaftliche Gruppierungen entwickeln sich auch sehr verschieden. Wie lange sich dieser Trend ausweiten kann, hängt von vielerlei ab, unter anderem von der Frage, was wir dafür in Kauf zu nehmen bereit sind: Wie viel Klimawandel, wie viel Biodiversitätsverlust, wie viel Treibhausgasemissionen sind wir bereit zu akzeptieren? Das Problem dabei ist: Das Erdsystem zeigt uns die Folgen unseres Handelns erst sehr viel später; mitunter vielleicht auch erst, nachdem wir einen Punkt überschritten haben, an dem es kein Zurück mehr gibt.

Wie träge verändert sich das Ernährungsverhalten des Menschen?
Wenn man sich ansieht, was hierzulande vor 50 Jahren gegessen wurde, sehen wir, dass sich vieles innerhalb weniger Generationen umstellen kann. Im Weltdurchschnitt ist es allerdings so, dass sich der westliche Ernährungsstil zunehmend zum globalen Vorbild entwickelt. Dabei wird zu viel gegessen, zu viele Lebensmittel sind stark verarbeitet und die Abfallströme sind zu hoch. Hier könnte es viel Verbesserungspotenzial geben. Alle Maßnahmen aber, die darauf abzielen, mehr zu produzieren und die Effizienz der Produktion zu steigern, haben das Problem, dass die Gewinne durch Überkonsum wieder zunichte gemacht werden. Wir zeigen in unseren Studien, dass eine Veränderung des Konsumniveaus gewinnbringender als eine Steigerung des Produktionsniveaus sein kann.

Lässt sich ausrechnen, was umweltschonender ist: die Bio-Milch vom regionalen Bauernhof oder die Sojamilch aus den Tropen?
So leicht ist das nicht, weil das Ergebnis davon abhängt, welche Indikatoren man anlegt. Betrachtet man das gleiche Produkt, schlägt üblicherweise das näher produzierte Produkt das andere. Bei verschiedenen Produkten muss man aber viel mehr Faktoren in Betracht ziehen. Wenn man beispielsweise die Abholzung des Regenwalds der Sojaproduktion anrechnet, müsste man die Abholzung Europas vor 1.500 Jahren auch den Rindviechern zuschreiben. Hier saubere Szenarien zu entwickeln, ist herausfordernd.

Eine Ihrer jüngsten Studien zeigte, dass es sogar möglich wäre, die gesamte Weltbevölkerung mit ökologisch produzierten Lebensmitteln zu ernähren. Wie könnte das gelingen?
Ökologischer Landbau für alle geht, und er geht auch gleichzeitig nicht. Er funktioniert – durch den erhöhten Flächenbedarf – nur, wenn man flankierende Maßnahmen trifft, indem man z. B. weniger Fleisch konsumiert oder die Abfallströme optimiert und die Flächennutzung umgestaltet. Um zu vermeiden, dass gleichzeitig alle Vorteile verspielt werden, müssten die Einschnitte aber drastisch sein: Der Konsum tierischer Produkte müsste auf ein Drittel vom heutigen Niveau weltweit reduziert werden. Das bedeutet einen massiven Einschnitt für die Industriestaaten, während man in Afrika und in großen Teilen Asiens den Fleischverzehr gar nicht reduzieren kann. Die Reduktion betrifft hauptsächlich Schweinefleisch, weil Ziegen, Rinder und Schafe Biomasse verdauen können, die der Mensch nicht verarbeiten kann, wodurch weniger Nahrungsmittelkonkurrenz entsteht.

Wie optimistisch blicken Sie in die Zukunft?
Es gibt nicht viel Anlass zu Optimismus, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Im Moment veranlasst uns nichts zur Annahme, dass der Mensch den Klimawandel und den Biodiversitätsverlust so ernst nimmt, dass er – im breiten Durchschnitt – sein Handeln verändert. Aber desto länger die Gesellschaft den Klimawandeldiskurs nicht ernst nimmt, desto höher wird die Rechnung ausfallen. Die gute Nachricht ist aber, dass es besonders in der Ernährung relativ viele Optionen gibt. Eine Kombination mehrerer Optionen auf moderatem Niveau erlaubt bereits, den Druck auf die Ökosysteme stark zu reduzieren.

für ad astra: Romy Müller

Zur Person

Karlheinz Erb ist assoziierter Professor für Landnutzung und Globalen Wandel am Institut für Soziale Ökologie, das mit Anfang März 2018 von der Alpen-Adria-Universität an die Universität für Bodenkultur übertragen wird. Er war unter anderem Preisträger eines ERC Start-Preises. Erb ist in mehreren hochkompetitiv geförderten Projekten, u. a. EU-Horizon2020 sowie ÖAW, tätig und hat über 100 Artikel in peer-reviewed Journals veröffentlicht, zuletzt u. a. als Erstautor zu „Unexpectedly large impact of forest management and grazing on global vegetation biomass“ in Nature (doi:10.1038/nature25138).

Karl-Heinz Erb | Foto: Pilo Pichler

Der Beitrag Der Mensch ist, was er isst. erschien zuerst auf Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Source: AAU TEWI